Bundestag beschließt nach 15 Jahren Debatte die Reform des Psychotherapeutengesetzes.
Berlin, 26. September 2019 - Mit den Stimmen der Koalition aus CDU und SPD wurde das Gesetz jetzt verabschiedet. Die Reform war u.a. zwingend notwendig geworden, da die im bisherigen Gesetz bestehenden Zugangsvoraussetzungen aufgrund der sog. Bologna Reform nicht mehr bestehen.
Nicht zuletzt führte die postgraduale Psychotherapieausbildung auch zu prekären Arbeitsverhältnissen der angehenden Psychotherapeut*innen, die damit verbessert werden sollten. Des weiteren soll mit der Gesetzesreform sowohl eine qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt werden als auch Verbesserungen für die psychotherapeutische Versorgung psychisch kranker Menschen erfolgen.
Das Gesetz benötigt noch die Zustimmung des Bundesrates, wobei davon ausgegangen wird, dass diese erfolgt und es soll dann zum 1. September 2020 in Kraft treten. Das Gesetz hat aus unserer Sicht `Licht und Schatten´, es ist ein Kompromiss, den die Bundesregierung gefunden hat, der in vielen Punkten aber auch wegweisend ist.
Was sind die wichtigsten Eckpunkte des Reformgesetzes und was bedeuten sie für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie?
Ein Überblick:
Zukünftige Psychotherapeut*innen durchlaufen ab September 2020 ein spezifisches Hochschulstudium der Psychotherapie, das nach mindestens zehn Semestern mit dem Master abschließt und zur Approbation führt.
Daran schließt sich eine Weiterbildung an, die eine Spezialisierung vorsieht, je nachdem, ob man später Kinder und Jugendliche oder Erwachsene behandeln möchte. Dabei erfolgt eine Vertiefung in mindestens einem der anerkannten Psychotherapieverfahren.
Zukünftig wird es deshalb nur noch eine Approbation geben. Diese Regelungen begrüßen wir sehr.
Wichtig: Alle derzeit approbierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und psychologischen Psychotherapeut*innen behalten ihre erworbenen Rechte und Pflichten, die Approbation hat lebenslang Gültigkeit.
Aber: Zu kritisieren ist, dass eine wesentliche Forderung des Bündnis´ KJP, für die wir uns sehr eingesetzt haben und fast aller psychotherapeutischen Berufs- und Fachverbände sowie der Landespsychotherapeutenkammern und der BPtK, nämlich für die heutigen approbierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen Übergangsregelungen zur zukünftigen Approbation zu schaffen, keine Berücksichtigung fand.
Wir sind uns mit dem BPtK Präsidenten Munz einig, dass der Gesetzgeber hier eine Chance vertan hat, um z.B. die Versorgung von jungen Erwachsenen (Stichwort `25 ist das neue 18´) und Menschen mit geistiger Behinderung durch qualifizierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen zu verbessern.
Für uns Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen ist dies ein gravierender Mangel an der Gesetzesreform, betrifft er doch rund 25 % aller derzeit approbierten Psychotherapeut*innen.
Positiv zu würdigen ist, dass anders als heute, die zukünftigen Psychotherapeut*innen während des Psychiatriejahres ein Gehalt beziehen können. Ebenso ist ein Gehalt während der Weiterbildung vorgesehen.
Kritisch ist hier anzumerken, dass der Gesetzgeber nur eine Mindestquote von 40% der Vergütung für die ambulanten Leistungen vorsieht, was nicht ausreichend sein dürfte, um ein Gehalt wie im Krankenhaus zu finanzieren.
Positiv ist anzumerken, dass damit überhaupt ein Einstieg in eine finanzierte Weiterbildung erfolgt.
Für Psychotherapeut*innen, die bereits ihre Ausbildung nach derzeit geltenden Kriterien begonnen haben, ist nun – anders als heute - ebenfalls eine Vergütung in Höhe von 1000 € während des Psychiatriejahres vorgesehen.
Darüber hinaus werden mit der Gesetzesreform weitere Neuerungen für die psychotherapeutische Versorgung getroffen, die auch alle derzeit in der ambulanten Versorgung tätigen KJP und PP betreffen.
Zukünftig erhalten alle Psychotherapeut*innen die Befugnisse zur Verordnung von psychiatrischer Krankenpflege und Ergotherapie, auch die nach bisherigem Recht approbierten KJP und PP.
Zu würdigen ist, dass Prävention, Rehabilitation und Gutachtenerstellung nun Teil der psychotherapeutischen Tätigkeit werden. Ebenso ist vorgesehen, die Gruppentherapie weiter zu fördern und die Möglichkeit für die Niedergelassenen, zukünftig schon probatorische Sitzungen im Krankenhaus durchführen zu können, kann sicherlich dazu beitragen, dass eine Überleitung von stationärer in eine ambulante Behandlung leichter wird.
Berufsgruppenübergreifende Versorgung
Als weiterer neuer Schwerpunkt wurde im Gesetz festgelegt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun beauftragt wird, eine neue Richtlinie zur "Berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung schwer psychisch kranker Versicherter" zu erarbeiten.
Erstaunt waren wir, dass ins Gesetz weitere Maßnahmen kurzfristig und ohne Abstimmung mit der Profession aufgenommen wurden.
So sollen die ersten 10 Sitzungen KZT 1 höher finanziert werden. Damit soll der damit verbundene höhere Aufwand, den neue Patienten mit sich bringen, honoriert und ein Anreiz geschaffen werden, mehr Patienten aufzunehmen.
So sehr eine bessere Finanzierung in jedem Fall zu begrüßen ist, sehen wir auch die Gefahr, dadurch Fehlanreize zu schaffen, die zum Beispiel notwendige LZT beeinträchtigen könnten. Dies darf nicht geschehen.
Aus unserer Sicht wäre es auch fachlich gebotener gewesen, wenn schon ein Anreiz gegeben werden soll, dann statt der KZT 1 hier die Akutversorgung besser zu stellen. Wir fordern außerdem, dass es weiterhin geschützte Zeitkontingente geben muss, um den verlässlichen Rahmen zur ausreichenden und intensiven Behandlung für die Patient*innen zu erhalten; "schneller und billiger" funktioniert in der Psychotherapie nicht.
Neu ist auch der Auftrag an den G-BA, unter der Festschreibung eines fixen Termins (bis 31.12.2022), "ein einrichtungsübergreifendes sektorenspezifisches Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante psychotherapeutische Versorgung zu beschließen", welches dann das derzeitige Gutachterverfahren ablösen soll.
Der G-BA "hat dabei insbesondere geeignete Indikatoren zur Beurteilung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie Mindestvorgaben für eine einheitliche und standardisierte Dokumentation, die insbesondere eine Beurteilung des Therapieverlaufes ermöglicht, festzulegen".
In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW schon vor 5 Jahren eine Kommission eingesetzt hat, die Vorgaben zur psychotherapeutischen Basis- und Verlaufsdokumentation erarbeitet hat. Die Kommission wurde von den Vorstandsmitgliedern Hermann Schürmann und Bernhard Moors betreut.
Die Ergebnisse wurden der letzten Kammerversammlung im November 2018 und Mai 2019 zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Trotz insgesamt positiver Würdigung konnte sich die Kammerversammlung noch nicht dazu durchringen, einen Beschluss zu fassen.
Wie die Entwicklung zeigt, ist es zwingend erforderlich, dies nun in der neuen Kammerversammlung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Ein erstes Fazit:
Wir begrüßen grundsätzlich die längst überfällige Reform des Psychotherapeutengesetzes und die damit verbundene Reform der Ausbildung der Psychotherapeut*innen. Wir freuen uns auch über die deutlichen Verbesserungen für die zukünftigen Psychotherapeut*innen und die insgesamt betrachtet erfolgreiche Besserstellung des psychotherapeutischen Berufsstandes im Gesundheitswesen. Auch gibt es erkennbar konstruktive Verbesserungen für die zukünftige Versorgung.
Einiges ist aber auch kritisch zu sehen und manches wurde in letzter Sekunde unter Zeitdruck und ohne Absprache mit der Profession in das Gesetz hineingeschrieben. Wir werden konstruktiv, aber auch kritisch, die entsprechenden Umsetzungen der Regelungen - z.B. durch den G-BA - begleiten.
Wir werden Sie/Euch über die weiteren Entwicklungen informieren und uns engagiert einbringen. Und es gilt ja auch hier der Grundsatz: "nach dem Gesetz ist vor dem (nächsten, B.M.) Gesetz".*
Leicht verändertes Zitat der Aussage des MdBs Dirk Heidenblut / SPD in der 115. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages zu Top 14 / Ausbildungsreformgesetz am 26.09.2019
Hier noch weitere Pressemitteilungen zur Verabschiedung des Gesetzes zu Ihrer/Eurer Information.
Auf den letzten Metern...
In den letzten Tagen vor der Verabschiedung des Gesetzes startete eine kleine Gruppe von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen eine letzte Aktion, mit der sie auch kurz vor Schluss politisch noch einmal auf die fehlenden Angleichungsregelungen für bis heute approbierte KJP hinweisen wollte.
Conny Beeking, Dr. Felicitas Bergmann, Ilka Kraugmann, Kerstin Landenberger, Oliver Staniszewski und Reinhild Temming verfassten das folgende Argumentationspapier,
das sie an die gesundheitspolitischen Akteur*innen und an die Abgeordneten des Bundestages in fast vollständiger Anzahl per Mail und Twitter schicken und für dieses Anliegen der KJP bei ihnen
Aufmerksamkeit erreichen konnten.