Bundessozialgerichtsurteil vom 11.10.2017 ist eine herbe Enttäuschung

Das Bundessozialgerichtsurteil ist eine herbe Enttäuschung für alle niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.

 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seinen Urteilen vom 11.10.2017 die Beschlüsse des Bewertungsausschusses zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen vom Grundsatz her bestätigt. Insbesondere hält das BSG die Systematik der sogenannten Strukturzuschläge, die noch vom Landessozialgericht Marburg für nicht vereinbar mit der EBM Systematik bewertet wurden, für rechtens. Bisher galt, dass im vom BSG anerkannten Kostenansatz der Praxiskosten auch ein angemessener finanzieller Spielraum zur Beschäftigung von Praxispersonal in die Höhe der Honorare einzurechnen sei, was aber nicht oder nur höchst unzureichend geschahund mit einer der Hauptgründe für die Begründung unserer jeweiligen Widersprüche gegen die Honorierung unserer Leistungen war. Der Bewertungsausschuss hatte im September 2015 den Hauptanteil der Personalkosten in einen sogenannten Strukturzuschlag verlagert. Dieser wird nur anteilsmäßig an die Praxen ausgezahlt, die mit der psychotherapeutischen Sprechstunde, Akutversorgung und genehmigungspflichtiger Psychotherapie einen bestimmten Umfang erbringen. Damit ist der Personalkostenanteil nicht länger in die entsprechende EBM Leistung und der damit verbundenen Honorierung eingebunden. Dies ist in keiner anderen Arztgruppe so üblich. Die Folge wird sein, dass die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen damit auf einem unteren Niveau „zementiert“ wird und eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu den vergleichbaren Arztgruppen, wie sie im SGB V, §87 Abs. 2c Satz 6 festgeschrieben ist, nicht gewährleistet ist.

 

Die schon jetzt eklatanten Unterschiede in den Honorarüberschüssen (bei gleicher Arbeitsbelastung) zwischen den somatisch tätigen Ärzten und den Psychotherapeuten werden also weiter auseinander gehen. Dabei hatten alle Psychotherapeut*innen ja nicht zu Unrecht gehofft, dass mit der gesetzlichen Einführung der erweiterten Versorgungsstrukturelemente im Zusammenhang mit der reformierten Psychotherapierichtlinie endlich auch eine gerechtere Honorierung der Leistungen erfolgen würde. Das BSG festigt mit seinem jüngsten Urteildie derzeitigen ungerechten Praxisstrukturen für Psychotherapeuten, bei denen nur die umsatzstärksten Praxen überhaupt Personal anstellen können.

 

Die beklagten Kassen und die KBV sehen die Strukturzuschläge nicht als ein Element der Honoraranpassung, sondern als eine Art Prämienanreiz zur höheren Praxisauslastung. Dieser Sichtweise ist das BSG offensichtlich gefolgt, „die Anreize durch die Zuschlagsregelung, den Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, seien sachgerecht“. Damit weichtdas BSG nach der Auffassung praktisch aller Psychotherapeutenverbände erheblich von seinerbisherigen Rechtsprechung ab, bei der es immer um eine Mindestvergütung (die eigentlich ja auch nach oben abweichen könnte) psychotherapeutischer Leistungen pro Zeiteinheit ging. Es wird der Bedeutung psychischer Erkrankungen und deren Behandlung in keinster Weise gerecht, dass Gesprächsleistungen deutlich so viel schlechter vergütet werden als somatische und technische Leistungen in der Medizin. Deshalb fordern die Psychotherapeutenverbände den Gesetzgeber auf, endlich tätig zu werden und die ungenügenden Regelungen zur „angemessenen Vergütung“ in § 87 SGB V klar und eindeutig zu formulieren

 

Allerdings ist die Entscheidung des BSG derzeit noch nicht rechtskräftig. Die Kläger haben die Möglichkeit gegen die Entscheidung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu erheben, sobald das Urteil mit Begründung zugestellt wurde. Eine Überprüfung, ob eine Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg haben werde, haben die Kläger und die dahinterstehenden Verbände bereits angekündigt.Immerhinhat das BSG einen kleinen Korrekturbedarf bei der Vergütung der genehmigungspflichtigen Leistungen aus den Jahren 2011 und 2012 rückwirkend zugestanden. Es hat dem Bewertungsausschuss aufgetrageneine entsprechende Neubewertung durchzuführen. In den Genuss einer Nachzahlung werden aber nur die Praxen kommen, die entsprechend Widerspruch eingelegt haben und deren Honorarbescheid nach Widerspruch oder Klage noch offen ist. Trotz dieser wenig guten Informationen empfehlen wir weiterhin Widerspruch gegen den Honorarbescheid einzulegen.

 

Zusammengestellt von Bernhard Moors